Die ganze Nacht über hat es geregnet. Was für ein Segen für diese Region. Leider scheint vieles verdampft, bevor es auf der Erde aufgetroffen ist. Der Boden ist rissig, wie zuvor. Das Gute daran ist die frische, klare Luft beim Frühstück mit Fernblick!
Laut Wetterbericht, der jedoch in letzter Zeit immer mal wieder schwindelt, werden es heute entspannte 24 Grad - ideal für eine kleine Städtetour nach Montepulciano. Wir denken beim Frühstück noch mal kurz nach: Es ist Montag, also werden dort wenig Leute sein. Es ist quasi direkt "umme" Ecke, also fix hin, fix zurück. Es ist recht frisch draußen, also lange Hose und Jacke mitnehmen.
Die einzig wahre Überlegung, welche wir treffen, ist die kurze Entfernung. Montepulciano liegt knappe 30 km in nordöstlicher Richtung und rein theoretisch könnte man es von hier aus sehen, wären die vielen Zypressen nicht.
Die fröhliche Annahme von den wenigen Leuten wird bei der Parkplatzsuche komplett zerstört. Alles voll! Wir suchen emsig weiter und stoßen auf einen, nicht mal abgelegenen Platz mit gefühlten tausend freien Plätzen. So etwas macht mich wuschig. Ich kann mich dann nie entscheiden und parke überall mal zur Probe ein, bis ich dann letztendlich in irgendeinem markiertem Viereck mein Auto abstelle. Geht es anderen auch so??
So verwahrlost, wie dieser Platz aussieht, an einem Parkautomaten hat man trotzdem nicht gespart. Es sind sogar zwei nebeneinander. Allerdings wird schnell klar, dass das Gerät für die PKW (jepp, es gibt einen für PKW und einen für Busse und Mini-Vans) sehr wahrscheinlich nicht funktioniert.
Das Display gibt kein Lebenszeichen von sich und ich vermute, das arme Ding ist an der eigenen Kompliziertheit verstorben. Neben mir stehen Österreicher, eine Familie aus Frankreich und eine Handvoll Italiener mit ratlosen Gesichter. Ich versuche mein Glück bei Bus und Mini-Van, aber das Gerät spuckt die Münze sofort wieder aus. Sehr wahrscheinlich hat es mein Auto gesehen und beschlossen, dass es weder noch ist und mein Geld nicht wert.
Ich nehme es als höheres Zeichen und beschließe, kein Ticket zu ziehen.
Ich gebe zu, dass ich mit einem einigermaßen schlechten Gefühl durch das Stadttor von Montepulciano geschritten bin. Keine Ahnung, was die Carabinieri mit meinem armen und Ticketfreien Auto anstellen. Auf eine Diskussion im schnellen italienisch bin ich nicht vorbereitet und auch absolut nicht in Stimmung. Also hoffe ich darauf, dass mein Wagen bei meiner Rückkehr noch dort steht, wo ich ihn abgestellt habe und wenn's geht bitte auch ohne Parkkralle.
La Mama ist bereits mitten ins Stadtleben eingetaucht. Am Tor noch schnell die Wegwerfprospekte mitnehmen und ab geht's durch das Stadttor!
Ich mag diese Stadt! Sie ist zwar wieder voller Menschen und ein Großteil der Verkäufer in den kleinen Läden begegnet uns eher angestrengt, trotzdem hat Montepulciano ein gewisses Extra, welches schlecht zu beschreiben ist.
Wir sind beide erstaunt, dass wir die zumeist ziemlich teilen Steigungen im Stadtzentrum gut gewuppt kriegen. Von den interessantesten Geschäften links und rechts unseres Weges merken wir uns lediglich, wie wir sie wiederfinden. Noch hat keine von uns Lust auf Tütenschleppen. Und trotzdem ächzen wir unter der schwülen Luft bei nur 27 Grad.
La Mama hat einen Gang zur Stadtmauer entdeckt und eine äußerst windige Stelle. Was wie Flugversuche eines Möwenkükens aussieht, ist lediglich Abkühlung, wenn eine Windböe durchs T-Shirt rauscht.
Sie ist glücklich, ich bin es auch (beim Filmen) und die drei Damen, die freundlicherweise nicht durchs Bild latschen und schauen, was ich filme, ebenfalls.
Eine winzige Trattoria an einer Straßenecke können wir nicht ignorieren und freuen uns über Kaltgetränke, zu denen die semifreundliche Wirtin ein Brett mit Schinkenbrot und irgendein Gebäck frisch aus der Fritteuse knallt. Während wir es uns schmecken lassen, ein kurzer Blick auf den Stadtplan: Wo ist dieser vermaledeite Palazio Ricci mit der Europäischen Musikakademie? Ich bin der Meinung, mal sollte den TV-Konsum der eigenen Mütter überwachen. In diesem Fall hat meine einen Beitrag über die Toskana im NDR gesehen und will nun unbedingt zu dieser Sing- und Flöten-Akademie.
Den Stadtplan verstehe ich nicht, dafür aber Google Maps auf meinem Mobile. Der Weg führt durch die Stadt stellt nach oben zur Piazza Grande. Auf der obersten Stufe der Treppe steht ein einsamer Plastikstuhl, der auf La Mama gewartet zu haben scheint.
Während der kurzen Verschnaufpause hören wir bereits erste Klavierklänge und den Gesang einer Sopranistin. Die Akademie liegt quasi vor unserer Nase. Heute sind leider nur Proben hinter verschlossenen Türen, aber die Töne haben wir auf Band. Also unbedingt Lautsprecher an, das Video ist nichtssagend, der Ton ist entscheidend :-)
Voll zufrieden stromern wir die Straßen zurück auf denen wir gekommen sind und nehmen die Geschäfte auf unserer Liste in Angriff. In kürzester Zeit haben wir beide ein paar Einkaufstüten in der Hand. Fünfzig Meter weiter merke ich, dass in meiner rechten Hand etwas fehlt - die Einkaufstüte!!! Irre! Ich hätte nicht gedacht, dass ich bei den Witterungsverhältnissen und meinen sportlichen Voraussetzungen in der Lage bin einen Sprint auf der, schätzungsweise, 10%en Steigung hinzulegen. Ich stürze in den letzten Laden, rein in die Umkleide und da hängt sie tatsächlich noch. Püh! Nachdem ich meine alte Sonnenbrille dem Lago Bolsena überlassen habe, hätte ich heute fast die zweite, nagelneue (!!) irgendwelchen Leuten in Montepulciano geschenkt.
Wir setzen unsere Shoppingtour fort. Die Geschenke für die Lieben daheim haben wir sozusagen in der Tüte und betreten nun auch Läden, in denen wir uns maximal den Prospekt leisten können (der ist meist umsonst).
Durch eine kleine Gasse gelangen wir auf einen freien Platz mit einer Bronzefigurenausstellung. La Mama hat alle ausprobiert, irgendwie passt keine so wirklich in ihr Haus.
Obwohl - den dicken König mit Po fand ich lustig!
In einem Museum waren wir natürlich auch. Also jetzt nicht wirklich offiziell. Kollege Zufall hat uns durch einen Nebeneingang in die "gute Stube" des Museo geführt. Super, ein wenig Bildung hatten wir also auch dabei!
Nun zieht es mich aber wirklich zu meinem Auto, mit der Frage, ob es noch da ist. Es ist!!
Wir wollen noch in eine kleine Käserei in der Nähe: Caseificio Cugusi. Hier wird der Pecorino handgemacht und es gibt zich Sorten, mit Nuss, mit Trüffel, junger Pecorino und alter, in Rotwein getränkt, mit fermentiertem Zeugs drauf und ohne. Wir sind völlig überfordert und ordern uns einmal durch die Kollektion. Erst im Auto bemerken wir, wie wenig wir gezahlt haben. Am liebsten würden wir gleich nochmals in den Laden rennen. Aber bitte, das ist doch nun wirklich Käse.
Auf der Rückfahrt drehen wir eine kurze Schleife an Vitaleta, einer kleinen Kapelle, die der ebenso kleinen Bar nebenan gehört.
Der Weg dahin vom Parkplatz dehnt sich. Allerdings wird man von einem sagenhaften Panorama über das Orcia-Tal belohnt. Die Wolken türmen sich bedenklich und sehr wahrscheinlich wird sich hier in kürze ein kräftiges Gewitter entladen. Bevor das passiert, wollen wir beide wieder im Auto sitzen und so wird aus dem Spaziergang ein lockerer Dauerlauf.
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