Es hätte heute ein wirklich schöner Tag werden können...
Heute früh nach einer weiteren unausgeschlafenen Nacht in unserer mediterranen Sauna gab es das erste Gewitter.
Leider nicht von oben, sondern zwischen uns. Bei beiden liegen die Nerven blank, wir sind totmüde und die Sonne knallt bereits heiß vom Himmel. Wir überlegen, ob wir das Toskana-Experiment abbrechen sollen oder weiter ans Meer fahren und uns dort für ein paar Nächte einmieten. Der Blick ins Bookingportal macht keine Hoffnung: Preise zwischen 1.000 und 6.500 € pro Nacht (immerhin für beide), wenn in man keiner verwarzten Absteige landen will oder irgendwo in einer der nächsten Herbergen im Niemandsland. Immerhin hatten wir uns über diesen Schock auch von unserem Streit gelöst und begonnen, neue Pläne zu machen.
Flavia, unser Agriturismo-Sonnenschein schlägt den Mont Amiata vor. Dort ist es nicht nur kühler, sondern es gibt viele wunderschöne Plätze. Gesagt - getan. In Schale geworfen und ab ins Auto, in Erwartung einer kühlen Brise aus der Aircondition. Nix! Ein kurzes Brummen und dann, nach einem finalen Piepskonzert aller System erlöschen die Lichter. Aussteigen, Wagen abschließen, 5 Minuten warten, Einsteigen - es rührt sich nichts, zumal sich das Auto inzwischen entschlossen hat, sich nicht mehr abschließen zu lassen. GROßES KINO oder Madonna mio, wie es hier landläufig heißt.
Meinen momentanen Zustand kann man in zwei Worten zusammenfassen: p***t of!
Ich schreie meinen Frust in die toskanische Wallachei - beeindruckt das Auto nicht. La mama tut das, was sie immer in diesem Fall und in dieser Region tun würde: sie ruft ihre Freundin Ezia, drei Dörfer weiter an. Die kommt sofort, im Schlepptau Tochter Flavia und einen merkwürdigen Alten mit seinem Truck. Wie ich aus dem italienischen Stakkato der Drei entnehme, heißt er Gianpedro, besitzt Batterieklemmen (uno in rosso, uno in negro) und einen Schlüpfer aus Feinripp. Den hätte ich gerne nicht gesehen!
Mein Auto ist super geparkt, kommt niemand ran, kann also keiner klauen, dafür auch niemand überbrücken. Gianpedro flucht, die beiden Frauen pallavern laut gestikulierend auf ihn ein und ich? Bin ziemlich verzweifelt.
Zügig wird aus zwei kurzen Kabeln ein sehr langes Überbrückungskabel gebastelt, nach dem die Ladung an allen Enden funkenschlagend und äußerst eindrucksvoll getestet wurde. Es braucht zwei Versuche, bis der Wagen anspringt und sofort wieder ausgeht. So ein Auto ist eben auch nur ein Mensch! Irgendwann klappt es doch und Gianpedro nuschelt: "Muss neu!" , und zeigt entschlossen auf die Batterie..
Vor fünf Jahren hatte ich hier mal eine Reifenpanne und weiß, das ist gar kein Problem. Gas geben und den Berg hinauf, aus dem Wald und zum Autofficina Nocci in den nächsten Ort.
Trotz Betriebsferien wartet die Chefin bereits auf mich, mit einer neuen Batterie und drei Mechanikern.
Einer schaut gemeinsam mit mir, Ezia und der Chefin zu. Irgendwer muss schließlich auch dazwischenquatschen und die Fotos machen!
Nach 5 Minuten ist alles wieder beim alten.
Freudestrahlend fahre ich die Auffahrt zu unserem Casa runter und - schei** die Wand an - nehme einen äußerst spitzen Felsen mit.
Das Loch in dem Vorderreifen hat die Größe meines Daumens. Da ist nix mehr mit
reparieren oder nochmal in die Werkstatt fahren - nee - platt ist platt!
Wagenheber, Werkzeug und Ersatzreifen rauswuchten und gemeinsam Wagen hoch und Reifen ab. Wäre schön, wenn das so einfach gegangen wäre. Wir Frauen rütteln recht erfolglos an den Schrauben in der prallen Sonne. Und nur mal fürs Protokoll, die Temperaturen liegen immer noch bei 35 Grad.
In der Einfahrt steht, wie aus dem Boden gewachsen ein Typ, der Michele heißt. Ob der geahnt hat, dass ich mir heute den Reifen zerschieße oder nur einen Ausflug macht, verstehe ich nicht. Immerhin brüllen ihm die Frauen zu, dass er gefälligst herkommen und helfen soll. Einer schraubt, drei schauen zu, fast wie in der Autowerkstatt.
Ezia ist aufgeregt am Telefonieren. Ihr Mann, Renato kommt gleich vorbei. Der bringt übrigens Gianpedro mit seinem Feinrippschlüpper mit. Alle diskutieren wild mit den Armen rudernd durcheinander. Ich bekomme Panik. Gibt es ein größeres Problem als den Reifen? Man erklärt mir, dass ich einen zweiten Reifen auswechseln lassen muss, damit beide gleich rollern. HERRJEH, ich werde den Resturlaub in italienischen Autowerkstätten zubringen.
In diesem Moment gesellt sich ein neuer Mann zu unserer Gruppe, Andrea. Er geht ums Auto, schaut in den Kofferraum (hä?), prüft die Federung und meint: "Alles gut". Erneute Diskussion, weil dieser Meinung sind längst nicht alle in dem frisch gegründeten Arbeitskreis. Andrea, eigentlich ein Straßenbauer knickt ein. Morgen früh wird er mit zwei Reifen vorbeischauen. Einer von beiden wird auf einer der Seiten schon passen und die richtige Größe haben. Dreht sich um und düst mit seinem Pickup davon. Und jetzt haben es auch alle anderen eilig. Renato und Gianpedro wollen nach Hause, Michele muss noch ein Feld umpflügen und wir müssen dringend in den Schatten wo La Mama bereits eiskalte Martinis vorbereitet hat.
Die Hitze in meinem Schlafzimmer wird auf italienische Art geregelt.
Ist super laut und vielleicht schlafe ich heute Nacht durch, dafür werde ich morgen sicher nichts mehr hören!
Buonanotte!
Ah, nein halt: Danke an alle Signores im Arbeitskreis und im Autofficina und an die Damen der Organisation für die schnelle Hilfe!!! Ihr seid die Helden dieses heißen Tages!
Liebe deine Art zu schreiben
...und wir hatten noch darüber gesprochen...😏 LG in die Hitze😎🌬️BP